"Ein Gedanke bringt den Stein ins Rollen" – so der Arbeitstitel für dieses Projekt, das Sie hier hängen sehen.
Nach dem großen Erfolg unserer Ausstellung "photo l abstract" konnten und wollten wir von der Gruppe
FOTOGRAFIE K6 uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern suchten gemeinsam eine neue
Herausforderung. Der Ansporn zur fotografischen Weiterentwicklung war uns wichtig. Andererseits sollte das
Thema auch für den Betrachter verlockend sein, damit er nicht "nur" eine weitere Fotoausstellung besucht
haben würde.
Warum fotografieren wir? Unsere persönlichen Fotos durchs Jahr dienen der Erinnerung. Wir möchten
daneben aber auch gerne Bilder schaffen, die wir in Ausstellungen zeigen dürfen. Diese Bilder müssen mehr
zum Inhalt haben als Momente, an die der Fotograf gerne zurückdenkt. Der Außenstehende möchte
angelockt und neugierig gemacht werden. Andreas Feininger sagte es so: "Der Zweck der Fotografie ist die
Kommunikation. Kommunikation setzt eine Absicht voraus. Niemand mit einem klaren Verstand würde sich
selbst mit Hilfe von Worten oder Bildern ausdrücken, wenn er nicht fühlte, dass er etwas zu sagen hat."
Mit dem Akt des Fotografierens wählen wir einen Ausschnitt aus einer Situation. Durch dieses selektive Zeigen
sagt jeder der fotografiert: "Schau dir das an, das ist wichtig". Und genauso, wie wir es lieben, eine oder zwei
Zeilen aus einem Text zu zitieren, genauso zitiert ein Foto durch den Ausschnitt das Leben.
Da jedem Geschehen, jeder Tat ein Gedanke, eine Absicht vorausgeht, bewusst oder unbewusst, und da vor
jeder guten Fotografie die Bildidee stehen muss, kamen wir auf die Idee, Zitate als Inspiration zu nehmen. Wir
nahmen also Zitate, um das Leben fotografisch zu zitieren.
Mit Fotografie als Schwerpunkt wollten wir mit unseren Fotografien nicht bloß die Zitate bebildern, d.h.
illustrieren. Nein, es sollten Bilder werden, die den Texten ebenbürtig sind, die gleichwertig, sozusagen auf
Augenhöhe mit den Worten stehen. Als Arbeitstitel hatten wir "Ein Gedanke bringt den Stein ins Rollen". Und es
war unglaublich wie für uns dieser Stein ins Rollen kam!
Leicht am runden Tisch entschieden, aber dann doch nicht so einfach umzusetzen, wie wir bald herausfanden.
Das Maß der Herausforderung zeigte sich bald im Tun. Lieblingszitate hatte jeder schnell parat, aber wie finde
ich das Bild dazu? Fast alle Bilder, die Sie hier sehen, sind nicht gestellt und inszeniert, sondern wurden
geistesgegenwärtig in alltäglichen Situationen entdeckt und aufgenommen. Das müssen Sie sich so vorstellen,
dass man mit dem Spruch im Kopf schwanger geht, manchmal Monate lang, um schließlich auf das Motiv und
die Situation zu stoßen, welche haargenau passt.
Um den Entstehungsprozess zu verdeutlichen, nehme ich das Zitat von Groucho Marx: "Ich habe eiserne
Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch andere". Diese Aussage hat zwei Elemente: das starre,
unbewegliche der "eisernen Prinzipien" und das flexible, bewegliche der "anderen". Somit war mir klar, dass
beides im Bild vorhanden sein muss – starr und beweglich. Lange habe ich gesucht, z.B. versucht Bilder mit
unterschiedlichen Materialkombinationen zu machen. Keines war wirklich befriedigend. Erst als ich an der
Südwestküste Norwegens Langzeitaufnahmen der Brandung machte und mich zufällig bei einem Standpunktwechsel
umdrehte, entdeckte ich die knorrige Wurzel, die sich in den Stein gekrallt hatte. Da war mein starres
Element! Das bewegliche Element formten die Gräser darum herum, die der kräftige Wind hin und her blies.
Eine Aufnahme mit 30 sec. Belichtung brachte dann die Kombination von beidem ins Bild. Das Ergebnis können
Sie hier sehen.
Versuchen Sie es doch einfach selbst mal und stellen Sie sich Bilder zu diesen Zitaten vor. Sie werden Sie
nachher alle in der Ausstellung wiederfinden. An die fotografische Machbarkeit brauchen Sie im Moment
noch gar nicht zu denken.
Bei diesen scheint es noch leicht zu sein:
Farben sind das Lächeln der Natur und Blumen sind ihr Lachen.
James Henry Leigh Hunt
Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.
Albert Einstein
Schwieriger wird es dann schon bei folgenden:
Ein leidenschaftlicher Raucher, der immer von der Gefahr des Rauchens für die Gesundheit liest, hört
in den meisten Fällen auf zu lesen.
Winston Churchill
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
Johann Wolfgang von Goethe
Und wie würde man die folgenden fotografisch umsetzen?
Das Überflüssige ist eine höchst notwendige Sache.
Voltaire
Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
Wie gesagt, die Bilder und die Texte sollen einander ebenbürtig und gleichwertig sein. Dies haben wir auch in
unserer Präsentation berücksichtigt. Machmal scheint die Wort-Bild-Kombinationen nicht ganz offensichtlich.
Dies ist auch gar nicht beabsichtigt. Wir bieten dem Betrachter an sich mit dem Werk auseinander zu setzen,
sich vielleicht sogar zu Diskussionen anregen zu lassen.
Und dafür stehen wir von FOTOGRAFIE K6 Ihnen sehr gerne zur Verfügung.
Rolf Pessel im Nov. 2012
Hadid-Pavillon in Weil am Rhein, 9. Nov. 2012 bis 16. Dez. 2012